Aus: Gesang von den Wolken
Ihr Heimatlosen, nirgendwo Geborene,
Sehnsüchtig ins Unendliche Verlorene,
In euren Takten lasst uns Träumer lesen
Mit dunklem Ahnungsdrang das eigne Wesen.
Ihr Wanderer! – Und Wandrer sind auch wir.
Ihr Ruhelose! – ach, wir sind’s nicht minder.
Ihr Unbeständige, ihr mutterlosen Kinder,
Ihr Fremdlinge! – Und Fremde sind auch wir!
Wie Ihr euch quält und wendet
Und keinen Zug
Und keinen Kreis noch Heimwärtsflug
Jemals vollendet,
So hat in mancher langen Nacht,
So hat an manchem langen Tag
Ein drangvoll weher Flügelschlag
Auch uns entführt und müd gemacht
Und in die alten Tiefen,
Wo alle Rätsel schliefen,
Am Ende hoffnungslos zurückgebracht.
Wind, Welle, Wolke, ohne Form noch Stand,
Ihr seid im innern Wesen uns verwandt,
Uns Wanderern, uns Seglern ohne Halt.
Seid auch so einerlei und mannigfalt,
So voll Begier und dennoch ohne Ziel,
Ganz Drang und Wille, dennoch ewig Spiel.
Wir schauen euch mit fremdem Staunen nach;
Ihr rauscht ein Wort, das keine Lippe sprach,
Ihr malt in rastlos wanken Rätseln hin
Des Lebens Bild und seinen tiefsten Sinn.
Hermann Hesse
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